Sommer, Sonne, Campingzeit.

Ihr wisst, dass wir unsere Urlaube immer im Wohnmobil verbringen. Durchaus aus Überzeugung... aber seien wir ehrlich: wo sonst sollten wir mit den beiden Ochsen auch hin?

Natürlich haben auch wir in diesem Jahr lange überlegt, wohin die Reise gehen könnte. Akribisch alle Fallzahlen und Reisewarnungen verfolgt. Und mit Schrecken die Bilder von völlig überfüllten Orten an der Ostsee und dicht besetzten Campingplätzen in Bayern gesehen.  So viel Zaun und Sichtschutz können wir gar nicht mitnehmen, wie wir da bräuchten.

Die Wahl fiel auf ein kleines Dörfchen in Italien. Uns und den Hunden wohlbekannt, wunderschön und, ich gestehe nicht ganz uneigennützig, extrem komfortabel. 

Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte. Was mir für die netten Platzbetreiber sehr leid tut, für uns aber ideal ist, hier ist nichts los!

Das Wetter ist traumhaft, Eis und Tiramisu auf dem Platz göttlich, die Hunde sind entspannt. 

Für mich die ideale Gelegenheit, von der Luxussonnenliege (nochmal ein dickes Danke an dbaE!) aus das Platzleben genauestens zu beobachten.

Es gibt kaum was Spannenderes, als die Artenvielfalt „Camper“ zu beobachten... außer vielleicht der „Entkanzlerung“ (geiles Wort, danke Jagoda Marinić) des NRW-Zauderers Laschet zuzugucken.

Und natürlich frage ich mich dabei auch immer, welcher Spezies ich Herrn Terrier und Fräulein Vizsla zuordne.


Fangen wir an mit den ganz Sportlichen.

Die, die schon vor dem ersten Kaffee - oder was auch immer die trinken - ihre Yogamatte rausholen und vor dem Mobil Liegestütze machen. Selbstverständlich so, dass der ganze Platz sie beobachten kann.

SO sind Bruno und Neele nicht! Neeles sportlicher Ehrgeiz beschränkt sich um diese Uhrzeit nur darauf, die erste am Kühlschrank zu sein. Bruno ist da durchaus schon fixer auf den Beinen. Hört er nur von weitem Neuankömmlinge, trickst er mich aus, blinkt links, um dann rechts an mir vorbeizuziehen und sich mordsmäßig am Zaun aufzubauen.


Dann hätten wir da noch die Lustigen.

Fast alle mit dem Aufkleber „wir verprassen das Erbe unserer Kinder“ auf dem Heck ihres Mittelklassemobils. Sie betonen immer gerne, dass sie es sich jetzt gut gehen lassen. Meistens ungefragt. Und oft mehrfach am Tag.

SO sind die beiden Ochsen auch nicht. 

Für sie ist es selbstverständlich, dass es ihnen gut geht. Dass ihr Personal sich 24/7um sie kümmert. Dass ihnen alle Sofas, Liegen und Stühle zustehen. Und zwar zuerst! Und dass die Futterkiste mit den besten Leckereien gefüllt ist.

Da braucht es keinen Aufkleber. Das ist einfach so.


Uns schräg gegenüber stehen die Survival Camper.

Wenigstens ausgestattet sind sie so. Das Zugfahrzeug weist martialische Rohre auf... wofür auch immer. Vielleicht für den Fall, dass der Parkplatz des örtlichen Supermarktes mal überflutet ist.

Sie lassen gerne raushängen, dass Komfort vermieden wird.

Und wären da nicht die Plastiktüten des italienischen Discounters, könnte man meinen, sie brächten sich Kräuter und Selbstgeschossenes von ihren Tagestouren mit.

Ich muss nicht weiterreden, oder?

SO sind die beiden Spinner auch nicht! Bloß keinen Stress unter der Sonne Italiens. Chillen ist angesagt. Gerne mit den Resten des Zweibeiner-Vanille-Erdbeerbechers.


Oberhalb von uns dann die Dauercamper.

Die immer erzählen, dass sie schon fast zum Inventar gehören. Jeden Kiesel hier kennen. Und jeder Kiesel sie... Schenkelklopfer!,

Von denen man glauben kann, dass sie ihre Kinder nach den Platzbetreibern benennen.

SO sehe ich den Mini-Monk und die Puszta-Prinzessin auch nicht.

Neelchen möchte nirgendwo anders hingehören als zu uns. Zu ihrem Zuhause. Bruno hingegen würde erwarten, dass die Platzbetreiber ihre Kinder nach IHM benennen. 


Kommen wir zu den selbsternannten Platzwarten und Experten.

Bei ihnen habe ich immer das Gefühl, dass sie am liebsten selbst mähen, mit einer Geldtasche über den Platz gehen und abkassieren würden und natürlich auf alles und jeden ein Auge haben.

Selbstverständlich wissen sie auch über alles Bescheid. 

Im Moment bevorzugt über das Thema Corona und der mit dem „GE-Kennzeichen“ ganz besonders über den Schnitzeldespoten aus Rheda-Wiedenbrück. Mehr als er mit seinem „04“-Aufkleber auf dem Auto kann den Billigbulettenbaron nur doch jemand aus dem Kreis GT hassen. Er regt sich auf, dass seine Kinder keine Bärchenwust mehr im Wohnwagenkühlschrank haben dürfen. Unter welchen Umständen es seine 3,90/kg-Wurst auf den Weber-Grill geschafft hat, scheint ihn allerdings weniger zu beschäftigen. Das tägliche Ritual des Antenneausrichtens unter extrem fachkundigen Kommentaren erscheint da wichtiger.

SO sind meine Schnubbis keinesfalls!

Vielmehr gilt es zu vermeiden, selbst mal auf unserem Grill zu landen.

Hören Sie doch nahezu täglich, dass der Terrier in die Wurst kommt und eine Vizsla-Keule genau auf den Rost passt....


Leicht genervt betrachte ich die Erzieher. 

Also die, die immer so wahnsinnig demonstrativ ihre Kinder im Urlaub erziehen, trainieren, unterrichten und sonstwie wertvoll motivieren. Alles vor dem staunenden Publikum. 

Sie haben selbstgebaute Turngeräte dabei und führen allen Nachbarn vor, wie gut das Kind im Kunstturnen ist. Oder musikalische Talente... ich hab bei dem Schrei „Scheiße, ich hab Läuse“ fast einen Infarkt bekommen und sah mich schon in der örtlichen Apotheke Spezialshampoo kaufen, bis ich realisiert habe, dass das wohl eine Zeile aus einem Song von Helge Schneider ist. Herrgott, das muss man doch nicht kennen, oder?

SO sind WIR nicht. 

Wir scheitern schon zu Hause kläglich an dem Drill der beiden Ochsen. 

Das hier noch vorzuführen, erschiene mir ähnlich authentisch wie Mehmet Scholl in einem Dacia durch München cruisend. 


Durchaus selbstkritisch gucke ich mich auch auf der eigenen Parzelle um.

Wie sehen uns unsere Nachbarn?

Nicht kommunikativ wegen der totalen Abschottung?

Nennt man mich schon „Lady Sagrotan“ in der Spülküche weil ich Blitzherpes bekomme, wenn neben mir jemand Wandersocken in der SPÜLE auswäscht?

Ist man genervt, weil Bruno ähnlich oft bellt wie ein Inkontinenzpatient, der seinen Stellplatz neben dem malerischen Wasserfall hat, aufs Klo rennt?

Wirken wir in etwa so vertrauenserweckend auf unsere Mitcamper wie derzeit Wirecard auf dem Finanzmarkt, weil unsere Hunde nicht mit jedem Hund spielen dürfen und nicht zur Geburtstagsparty des Nachbardackels (Happy Birthday, süßer Hermann!) rübergebracht werden?

Glaubt man von uns, dass wir nicht ohne gepflegten Vorgarten können, weil dbaE heute Morgen stundenlang die Parzelle gewässert hat mit dem Wasserschlauch (Neele hatte ein kleines „Problem“)?


Haltung muss man sich leisten können.

Ich halte also den Ball flach und beobachte still und leise. Und hab diebischen Spaß dabei.

Ich bete, dass wir so blickdicht sind, dass wir nicht beobachtet werden mit den beiden Irren an Bord. 

Denn ich bin mir sicher: auch uns kann man einer Spezies zuordnen. 

Und ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen möchte, welcher!