Schlechte Tage
So, Heimweg, auf der Autobahn. Es läuft halbwegs.
Der beste aller Ehemänner ist versorgt mit Brötchen und Getränken und fährt uns alle sicher durch das Unwetter in Mecklenburg-Vorpommern.
Ich kann euch also von unserem Tag erzählen.
Ein Tag, der für mich mit Zorn begonnen hat. Mal wieder. Zorn auf Brunos „Produzenten“. Die, von denen ich mich weigere, sie Züchter zu nennen.
Wach geworden bin ich heute Morgen davon, dass mich jemand angestarrt hat. Bruno. Der Bruno, der an seinen guten Tagen ein echter Langschläfer ist. Ihr alle wisst, dass der kleine Kerl Bettschläfer ist. Das habe ich vor langer Zeit zugelassen und ist auch nicht mehr rückgängig zu machen.
Kriecht er an „guten Tagen“ eher widerwillig aus dem Bett und gibt nur sehr ungern den Platz in meiner Kniekehle auf, weiß ich sofort, was los ist, wenn er auf meinem Kopfkissen sitzt und auf mich herab starrt.
Ihm geht es nicht gut. Und intuitiv weiß er dann, dass ich es sein werde, die ihm gleich hilft.
Die sofort aufsteht. Ihm die Tür aufmacht. Schon mal die Tablettenbox rausholt und betet, dass sie alles erforderliche halbwegs problemlos in ihn reinbekommt.
Ich sehe sofort, dass er im Kriechgang über die Parzelle robbt und hektisch Gras rupft. Ich habe schon lange aufgegeben, ihn davon abzuhalten. Gar kein gutes Zeichen ist, dass es nicht wieder rauskommt. Meistens muss er dann irgendwann erbärmlich würgen und der ganze Grasklumpen samt einer großen Portion Galle, Magensäure und was sonst noch immer kommt rausgeflogen. Heute nicht. Nicht gut.
Die Tabletten gehen nur mit Trick 17 in das arme Kerlchen rein.
Und dann kam das, was ich immer am schlechtesten ertragen kann. Er verkriecht sich. In die letzte Ecke des Wohnmobils. Rollt sich entweder ganz klein ein oder bleibt zwischen Sofa und Fahrersitz gequetscht sitzen und starrt die Wand an. Er reagiert auf keine Ansprache. Er sitzt da einfach.
Ich geh dann gerne raus, um eine zu rauchen. Um im wahrsten Sinne des Wortes Dampf abzulassen. Die Alternative wäre schreien. Oder meine ablehnende Haltung gegenüber der Bewaffnung von Privatpersonen zu überdenken. Beides will ich nicht.
Aber ich bin so wütend. Auf die, die das aus ihm gemacht haben.
So sollte es nicht sein. Es sollte nicht jeder Tag, an dem NICHTS ist mit ihm, ein Tag sein, der mir auffällt. Das sollte kranken Tagen vorbehalten sein. Gesund sein muss normal sein. Nicht umgekehrt. Er ist erst fünf!
Es ist ungerecht. Er hat ein völlig unbeschwertes Leben verdient. Nicht eins, wo von sieben Urlaubstagen zwei wirklich elend sind. Er sollte glücklich sein, weil er das Meer so liebt. Meinetwegen sich bockig in den Sand werfen, wenn er vom Strand weg muss. Er muss nach fiesen Algen stinken dürfen, ohne dass ich gleich im Hinterkopf habe, dass er hoffentlich nichts davon in seinen zerfledderten Magen gekriegt hat.
Wenn ich dann aufgeraucht und mich beruhigt habe, gehe ich wieder rein.
Warte darauf, dass er irgendwann so weit ist und knuddeln will.
An Futter ist nicht zu denken. Auch nicht gut, ihm fehlt dann sein Pulver für die Magenschleimhaut, aber im Moment nicht zu ändern.
Irgendwann gehen wir dann raus. An den Strand und auf den Deich. Und es tut mir in der Seele weh zu sehen, wie verhalten er ist. Sich immer wieder setzt und nicht weiter will.
Meine Wut köchelt immer noch. Ich hasse meine eigene Hilflosigkeit.
Immerhin frisst er ein wenig als wir wieder am Mobil waren.
Während wir unsere Sachen zusammenpacken und den Smart verladen, will er nur eins: ins Wohnmobil! Ich bin mir sicher, dass er nicht zum Strand abhauen würde, wenn er könnte.
Und ich denke die ganze Zeit daran, dass er immer noch einen dicken, fetten Grasklumpen im Bauch haben muss. Denn es ist einer seiner richtig blöden Tage: da kommt nicht mal mehr was raus aus ihm!
Das ist nicht fair. Auch wenn er ein kleiner Satan und Spinner ist.
Er hat glücklich zu sein. Einfach nur glücklich. Frech und glücklich.
Verdammt!