Ich bin eine gesellschaftliche Null!

Worüber mal gesprochen werden muss.

Ich bin eine gesellschaftliche Null.

Ja, jetzt ist es raus. Man muss hier auch mal über unschöne Dinge sprechen dürfen.
Ganz besonders fällt mir das immer auf in den ersten Monaten des Jahres. Es stehen Geburtstage an. Meiner. Der des besten aller Ehemänner.
Wie immer geistert mir dann schon lange vorher die Frage der Einladungen durch den Kopf. Um eigentlich ganz schnell damit fertig zu sein. Es wird keine geben. Oder sagen wir mal nur ganz wenige.
Es liegt nicht daran, dass ich keine Freunde habe. Glaube ich auf jeden Fall.
Der Grund ist auch nicht, dass eh niemand kommen möchte, weil es bei uns nur lactosefreies Eis zur Dinkelwaffel gibt oder ich grundsätzlich Gäste nur mit Quinoa-Flips zu alkoholfreiem Bier quäle.
Nein. Der Grund heißt Bruno.
Ich erwähnte es schon häufiger: allein der Ton unserer Haustürklingel lässt den kleinen Kerl zu einem Wesen mutieren, von dem man annehmen könnte, dessen Eltern hätten ihren Nachwuchs in der Hölle gezeugt (übrigens der Ort, an den ich seine „Produzenten“ durchaus wünsche!). Und auch wenn der Herr des Hauses gerne mal das Wort „Kastratenkläffe“ fallen lässt, ahne ich, dass sich dieses hysterische Kläffen und Knurren für nicht ganz so hundeaffine Menschen dermaßen bedrohlich anhört, dass sie wahrscheinlich lieber - hätten sie die freie Wahl - an den bestens ausgerüsteten Leibwächtern Adnan Khashoggis vorbeimarschiert wären als an dem Terriator.
Das ganz große Problem daran ist, dass es ja alle trifft, die mal bei uns an der Haustür stehen. Der kleine Satan ist in Bezug auf den zu verscheuchenden Besuch ähnlich wählerisch wie die Amerikaner bei der Besetzung ihres wichtigsten Postens. Verkürzt könnte man sagen: er nimmt alles, was ihm vor die Flinte kommt. Oder, besser gesagt, vor die Zähne.
Manchmal beruhigt er sich dann ja.
Wenn alle am Tisch sitzen.
Wenn der kleine Monk gemerkt hat, dass seine autistischen Kreise nur ganz leicht gestört werden.
Wenn die Stimmung gut ist.
Wenn er zu allen auf den Schoß darf, um zu beweisen, dass er das sooo gar nicht gemeint hat.
Dann kann er geradezu distanzlos werden. Würde am liebsten alle abschlecken. Verteilt Knutscher, die keiner so wirklich will. Die # meToo-Debatte ist definitiv an ihm vorbeigegangen. Und ich sehe an den Gesichtern der Gäste, dass der US-Donald auch in seinem dritten Jahr nicht absurder wahrgenommen werden kann, als Bruno mit seinem Verhalten.

Jekyll und Hyde.
Schwarz und weiß.
Krieg und Frieden.

Nun könnte der ein oder andere ja auf die Idee kommen, es wäre ein leichtes, den Besuch einfach reinzulassen, an den Tisch zu bitten und Herrn Terrier erst dann dazu zu holen. Doch diese Rechnung, ihr habt es geahnt, geht nicht auf.
Reichlich Kaffee, das Bierchen oder das Glas Wein lassen jeden Normalsterblichen ja doch irgendwann mal ein gewisses Bedürfnis verspüren. Gang der Dinge wäre ja, einfach aufzustehen und in Richtung gekachelte Räumlichkeiten zu gehen. Nicht so bei uns! In dem gleichen Maße, wie er niemanden INS Wohnzimmer lassen wollte, kann er es auch nicht dulden, dass jemand es wieder verlässt. Bruno erträgt es nicht, die Kontrolle darüber zu verlieren, was in SEINEN vier Wänden geschieht. Und dazu gehören eindeutig herumlaufende Gäste. Nun ist es ja nicht so, dass er Désirée-Nick-gleich Boshaftigkeit zu seinen Kernkompetenzen zählen kann. Nein, da muss ich ihn in Schutz nehmen. Das ist es definitiv nicht. Er kann es tatsächlich nicht ertragen.
Solche Ereignisse machen ihn nervös. Noch nervöser, als er ohnehin schon ist. Und den Gedanken, dass sich Abläufe und Geschehnisse seiner Kontrolle entziehen, kann er dann tatsächlich nicht aushalten.
Dann führt er sich wieder so auf, dass ich nur mit dem Kopf schütteln kann. Er versucht, jeden Schritt zu verhindern. Wenn es gut läuft, indem er seine lächerlich kleinen Pillefüße auf die Schuhe  desjenigen stellt, der jetzt aber so langsam wirklich mal ganz dringend muss. Schlimmstenfalls greift der Meister aber auch zu nicht legalen Mitteln: ein beherzter Schnapper ins Hosenbein kann es da auch schon mal sein. Ich bete übrigens jedes Jahr, dass Schlaghosen wieder in Mode kommen. Dann ist die Gefahr, dass noch ein bisschen Wade am geschnappten Jeansstoff hängt, bedeutend niedriger!

Sei´s drum. Ihr seht, die Geburtstagsplanungen sind nicht so ganz ohne.
Und mir tut es so leid, dass meine Einladung zu einem Bierchen in der Kneipe oder zu Kaffee und Kuchen selbst beim angesagtesten Barista immer so herzlos wirkt. Aber das Gegenteil ist der Fall!
Ich mag meine Freunde. Und ich möchte auch, dass sie es bleiben! Nur ist es halt so, dass man mit einem kleinen Terriator im Haus schnell mal ähnlich beliebt ist, wie es Amazon-Chef Jeff Bezos derzeit bei seiner Ehefrau sein dürfte.

Natürlich könnte ich Bruno wegsperren. In ein anderes Zimmer. In eine Box. Wohin auch immer. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die servierten Getränke dann mit mehr Ruhe genossen werden könnten, ist ähnlich hoch wie die, dass wir Bill Gates um eine Tasse warme Suppe in der Armenküche bitten sehen… auch wenn er bedauerlicherweise nur noch der zweitreichste Mann der Welt ist!
Nicht mitzubekommen, was passiert, nicht eingreifen können… das macht es für Herrn Terrier noch schlimmer! Abgesehen davon, dass er auch noch aus dem entferntesten Zimmer zu hören ist, tut ihm das nicht gut.
Er würde sich zum Kollaps steigern. Sein Magen macht ihm noch drei Tage nach solchen Situationen zu schaffen (und mir damit auch) und am schlimmsten sind seine Augen dran. Habe ich ja schon immer beim kleinsten Zug am Halsband Angst, dass ihm die Linse vor die Füße fällt, sind solche Anlässe genau das Gegenteil von dem, was uns seine Augenärztin geraten hat!

Und das kann ICH nicht ertragen.
Ich leide dann.
Ich leide mit meinem kleinen Kerlchen.
Der wieder mal einfach nur beweist, dass er nicht aus seiner Haut kann. Der eigentlich so gerne so ganz anders wäre. Da bin ich mir sicher.
Der, ähnlich wie Neele, eigentlich so gerne der Liebling aller wäre. Der allen Menschen in ruhigen Situationen um den Hals fällt, ihnen seinen heißgeliebten Ball bringt (und gerne mal auf den Teller legt) und der vor allem eins NICHT ist: der kurzbeinige Bösling, zu dem er rein äußerlich in solchen Momenten mutiert.

Sich immer wieder die Frage zu stellen, was man ihm mal angetan hat, ist in solchen Situationen sinnlos. Deswegen sitzt immer noch keiner an unserem Grill.
Aber (wie immer mein Anliegen) vielleicht liest das ja auch der ein oder andere, der in den einschlägigen Foren und Gruppen immer reflexartig „nimm einen Hund aus dem Tierheim!!“ schreit, sobald eine Familie mit kleinen Kindern oder auch gerne mal ganz Hundeunerfahrene nach einem guten Züchter fragen, weil sie sich für gesunde , vernünftig sozialisierte Welpen interessieren!
Bitte… überlegt euch, was ihr da empfehlt! Nicht in jeder Situation ist ein Second-Hand-Hund zu empfehlen! Aus den verschiedensten Gründen. Und das oben Geschilderte ist nur einer davon!

Bei uns geht das.
Ich habe tolle Freunde! Die verstehen, dass ein „mal eben spontanes“ Grillen bei uns nicht möglich ist. Die wissen, dass eine Einladung ins Café nicht herzlos und unpersönlich gemeint ist!
Die einfach wissen: „ach ja… sie haben ja Bruno“.

Mein Herzenshund. ❣️ Trotz allem!