Bürohunde

Nun ist es ja allgemein bekannt, dass das eigene Surfverhalten im Netz bestimmt, was einem so angezeigt wird. Facebook, Google-Werbung, Instagram… alle sind darauf eingestellt, mir das zu präsentieren, wovon sie glauben, dass es mich besonders interessiert.

Auffällig in letzter Zeit: ständig ploppt bei mir etwas zum Thema „Bürohunde“ auf.

Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: nicht im Traum denke ich daran, Herrn Terrier & Fräulein Vizsla mitzunehmen… aber dazu später mehr.

Im Juni fing es irgendwie an. Der 22. war der „Nimm-Deinen-Hund-mit-zur-Arbeit-Tag“. Was es so alles gibt.
Wir alle kennen diese Liste mit den besonderen Gedenktagen… ich lach mich schlapp. Um nur einige meiner Favoriten zu nennen:
Der Welttag der Feuchtgebiete (keine Ferkelgedanken jetzt, bitte! Ist ein Tag der UNESCO) ist schon ein echtes Highlight, dagegen wirkt der Tag des Deutschen Bieres im April geradezu langweilig. Den Weltnichtrauchertag ignoriere ich seit Jahren geflissentlich, den internationalen Tag der Schokolade hingegen zelebriere ich geradezu. Großartig finde ich den Tag der Hängematte… der Erfinder sollte einen Orden bekommen, auch der Welthundetag ist nicht schlecht.
Aber, um auf das Thema zurückzukommen, mein Favorit ist und bleibt der „Nimm-Deinen-Hund-mit-zur-Arbeit-Tag“.
Schon im letzten Jahr habe ich meinem Chef einen Link zu dem Thema geschickt. Er hat die Mail ignoriert. Nicht, dass mir das nicht öfter passiert, in diesem Fall war ich mir aber sicher, dass es am Thema lag.

 Es war an der Zeit, mich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Newsletter von seriösen Karrierenetzwerken wiesen auf E-Recruitings Podcasts (oh Gott!) zu dem Thema hin. Titel war: „Töle oder Feelgood Manager?“.
Ich stieß bei meinen Recherchen auf den BVBH… ja, jetzt kommt ihr! Nie davon gehört? Der Bundesverband Bürohund e.V. . Du meine Güte. Mit was man sich so alles befassen kann  -  wenn man zu viel Zeit hat!
Mir war klar, das musste ich vertiefen.
Der Terriator und das Vischeltrinchen in meinem Büro. Schon der Gedanke bereitete mir Spaß. Wahrscheinlich aber auch nur mir.
Ich las mich ein in dieses Thema, mit dem sich offensichtlich viel mehr Menschen befasst hatten, als ich es für möglich gehalten hatte.
Blogger, Psychologen, Wissenschaftler (mal mehr, mal aber auch weniger seriöse), Chefs und Azubis… jeder fühlt sich berufen, dazu etwas zu sagen oder zu schreiben.
Nichts wurde ausgelassen. Weniger Burnout, mehr Streichel- statt Zigarettenpause, Imagegewinn, höhere Motivation der Kollegen. Kurz: nichts wurde ausgelassen. Jede Phrasen-Sau durchs Dorf getrieben.

 Wirklich hängengeblieben bin ich dann bei den Regeln, die Bürohunde beachten müssen. Unweigerlich denke ich da natürlich an meinen kleinen Topterroristen. Er hat´s ja nicht so mit Regeln.
Die erste Regel betraf mich: Hundehaare müssen vom Hundehalter entfernt werden. Ja, von wem denn sonst? Heute darfst du ja nicht mal mehr deinen Azubi den Kaffee kochen lassen. Soll ich es etwa wagen, ihm den Dyson in die Hand zu drücken? Ein Termin (mit den Eltern) beim Betriebsrat wäre mir sicher!
Bestimmte Bereiche sollten Hunde nicht betreten. So z.B. die Küchen. Seufz, armes Neelchen… wäre das doch der spannendste Bereich für sie.
Angenehm hingegen könnten „durch Flure stromernde Terrier sein“. Ich wäre fast vom Stuhl gefallen. Dem Verfasser dieser Zeilen würde ich gerne Bruno vorstellen.

Ich sehe ihn vor meinem inneren Auge:
Der Earl, von Freunden Bruno genannt. Selbstverständlich der Chef im Bürogefüge.
Er bestimmt, wann was erledigt wird. Setzt seinen Willen durch. Basisdemokratie ist ihm fremd, autoritärer Führungsstil ganz seins. Durchgesetzt werden seine Wünsche mit einem Fangzahn am Ohr eher widerwilliger Kollegen.
Beförderungen spricht er aus, indem er gestattet, ihn zu kraulen.
An klaren Vorgaben seinerseits wird es nie mangeln. Mindestens das arme Bernsteinauge wird ihm den Kaffee bringen.
Auch mangelndes Durchsetzungsvermögen wird man ihm nicht vorwerfen können. Er kommuniziert recht klar, gerne auch mal am Rande der Illegalität, wie er sich die Dinge vorstellt.
Was ich ihm zugutehalten muss ist, dass er sich wahrscheinlich für niedere Arbeiten nicht zu schade sein wird. Schreddern zum Beispiel. Da wird er mit Akribie ein gutes Beispiel abgeben.
Nicht so optimistisch bin ich bei der Voraussetzung „angepasstes Sozialverhalten“. Mir ist klar, dass „angepasst“ ein dehnbarer Begriff ist. Aber auch nicht endlos. Gleiches gilt für „freundliches Wesen“. Ja, er ist freundlich. Geradezu entzückend und manchmal rührend. Zu mir auf jeden Fall. Ob Besucher, die plötzlich vor meinem Schreibtisch stehen, das allerdings auch so sehen werden, wage ich zu bezweifeln.
Eine andere Sache beschäftigte mich auch. Man solle eine Bezugsperson für seinen Liebling finden. Für wen, bitte? Nochmal nachgelesen… sie meinten schon den Hund in dem Ratgeber.
Für das Trinchen wäre das kein Problem. Nehmen wir die Kollegin mit dem Platz an der Heizung und den ausgeprägtesten Fähigkeiten in der heimischen Küche. Deren Tupperdoseninhalt meistens besser aussieht als mein Weihnachtsmenü. Meine ungarische Prinzessin wäre selig.
Schwerer fällt es mir, dem Terriator einen Kollegen zuzuordnen. Auf den ersten Blick ein aussichtsloses Unterfangen.
Die mit dem leisesten Hauch von Respekt vor Hunden fallen raus.
Die, die so unfassbar lieb und nett sind, von denen du jeden Gefallen haben kannst, auch. Er würde sie schamlos rumkommandieren.
Die lustigen, aber manchmal zu jungen und damit zu naiven Azubis vielleicht? Lieber nicht. Der schlaue Meister trickst sie alle aus.
Wer also könnte ihm die Stirn bieten? Wer denkt genau so wie er? Da fällt mir eigentlich nur ein Büro ein… aber, ach nee… lassen wir das lieber!

Die Sache mit der Bezugsperson für Bruno hat sich also erledigt. Fazit: er müsste mich immer begleiten. In Besprechungen z.B. oder zu externen Terminen. Dieser Gedanke wiederum bereitet mir Freude. Er wäre bestimmt in so mancher Diskussion eine entscheidungsfördernde Maßnahme… zu meinen Gunsten!
Aber das wirklich wahre ist das auch nicht.

Ein weiteres und nicht ganz unwesentliches Problem sehe ich in dem Machoverhalten des kleinen Hooligans. Ausgehend davon, dass ich nicht die einzige in der Firma wäre, die einen Vierbeiner mitbringen möchte, male ich mir aus, wie Bruno sämtliche Hündinnen nach seiner Pfeife tanzen lässt. Ein bisschen fletschen hier, ein bisschen ins Ohr zwicken da…dieses „ich hab die dicksten Eier Gebaren“ kommt nicht überall gut an. Vor allem in Zeiten übereifriger Gleichstellungsbeauftragter. Frauen (egal ob mit vier oder mit zwei Beinen) stehen in der von ihm aufgestellten Rangfolge definitiv unter ihm!

Kommen wir zum Schluss auf eine Forderung der Bürohundebefürworter, an der wir dann definitiv scheitern: „bringen Sie Ihren Hund vom Welpenalter an mit ins Büro“.
Tja, diese Chance hatten wir nie.
Mein kleiner Gebraucht-Prinz hatte keine Chance, sich an den Verhaltenskodex in einem Büro zu gewöhnen. Er hat Gossenmanieren mitgebracht, als er bei mir einzog. Sein „Büro“ war ein verdreckter Hof mit üblen Zeitgenossen. Es galt nur eine Regel: alle Macht den Zähnen.

Ich komme also zu dem Fazit, dass meine beiden Bekloppten bleiben, wo sie immer sind. Zu Hause.
Es ist besser für alle. Für sie. Für meine Kollegen. Und damit schlussendlich wohl auch für mich.

Und jetzt widme ich mich dieser tollen Liste mit Gedenktagen. An alles wurde gedacht. Nur nicht an den Tag der Second-Hand-Hunde. Warum eigentlich nicht? Wo kann ich den beantragen?